Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ließ es sich als Gastgeberin nicht nehmen, persönlich die Podiumsdiskussion zu moderieren. Mit ihr auf der Bühne saßen Bundesfamilienministerin Lisa Paus, die Leiterin des Algorithm Accountability Labs am Fachbereich Informatik der RPTU Kaiserslautern, Prof. Katharina Zweig, und der Antidiskriminierungsexperte Emre Çelik. Im Mittelpunkt des Gesprächs stand die Frage, inwiefern Künstliche Intelligenz klischeefrei ist. Welche Rolle kann sie in Bewerbungsprozessen spielen und warum ist es so wichtig, Klischeefreiheit bei ihrer Entwicklung mitzudenken?
In ihrem Eingangsstatement stellte Annalena Baerbock klar, dass Geschlechtergerechtigkeit nicht nur gerecht, sondern auch gut für die Wirtschaft sei – auch vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs um Fachkräfte. Die Ministerin machte deutlich, dass Deutschland in Sachen Gleichberechtigung und Klischeefreiheit mitnichten Vorreiter sei, sondern: „Das, was wir hier diskutieren, ist mindestens der Standard, wenn nicht gar in vielen Ländern überholt.“ Gerade im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung falle auf, dass in IT-Berufen Frauen fehlten und die weibliche Perspektive unterrepräsentiert sei.
Lisa Paus sprach die gesellschaftspolitische Komponente der Digitalisierung an, die bisher zu wenig mitgedacht worden sei. Deshalb habe das Bundesfamilienministerium die „Agenda für Smarte Gesellschaftspolitik“ herausgegeben. Das Ziel: die Digitalisierung soll feministisch und gerecht gestaltet werden. Diskriminierungsfragen müssten mitgedacht werden, denn im Digitalen lebten die analogen Klischees fort, erklärte Paus. Deshalb sei es auch dringend notwendig, alle frauenpolitischen Akteure zu aktivieren. Es reiche nicht, „ein bisschen mehr Skills“ zu haben. Der gesamte gesellschaftspolitische Bereich werde von der Digitalisierung gestaltet. „Die Entwicklungen in der Digitalisierung verbessern nicht nur die Situation nicht, sondern sie können einen erheblichen Backlash bedeuten“, warnte Paus.
Prof. Katharina Zweig konnte mit Hilfe des Publikums und eines analogen Sets bestehend aus Papier, Klebestreifen und Holzstab zeigen, wie komplex es ist, gute Datensätze für das Trainieren einer künstlichen Intelligenz zu erhalten. Das Gitter auf dem Papier symbolisierte einen Datensatz für eine Personalauswahl-KI. Eine diskriminierungsfreie Einteilung der Daten stellte sich für die Menschen im Plenum als sehr schwierig heraus. „Wir müssen genau überlegen, wie wir Menschen charakterisieren wollen“, griff Prof. Zweig das Versuchsergebnis auf. Menschen verfügten oft über Fertigkeiten oder Kenntnisse, die man einem Lebenslauf nicht ansehen könne. In einer als Arbeitslosigkeit klassifizierten Lebensphase habe eine Person zum Beispiel Kinder aufgezogen oder Angehörige gepflegt, die Welt bereist oder Ehrenämter ausgeübt. Solche Dinge trügen zur Kompetenzbildung bei, fänden sich aber nicht in klassischen Trainingsdatensätzen. „Wir sollten die Digitalisierung dafür nutzen, als Gesellschaft unsere Prozesse zu überdenken“, forderte Prof. Zweig.
Emre Çelik hielt fest, dass wir in einer Gesellschaft lebten, die uns nicht so sehe, wie jemand ist, sondern so, wie er oder sie sein sollte. Diskriminierung würde genutzt, um Menschen in negative Klischees zu pressen. Am Arbeitsplatz geschieht Diskriminierung häufig in einem Graubereich, unterschwellig, unbewusst oder manipulativ. Er forderte klare Richtlinien in Unternehmen und ausreichende Sensibilität für das Thema bei Entscheidungsträgerinnen und -trägern. So wies er unter anderem darauf hin, dass Männer als bisher in Unternehmen häufig privilegierte Gruppe Frauenförderung als Diskriminierung empfinden könnten. „Es werden nur noch Frauen befördert“ sei ein häufig geäußertes Vorurteil. Doch dies sei falsch. Denn die Politik „Wir befördern AUCH Frauen“ sei in Wirklichkeit eine Politik für alle, also auch für Männer.
Die komplette Diskussion steht als Aufzeichnung zur Verfügung.