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09.04.2025 | Interview

„Es braucht eine viel stärker verankerte Genderkompetenz im schulischen Umfeld“

Warum entscheiden sich Jungen häufiger für handwerkliche Berufe, während Mädchen eher soziale oder pflegerische Wege einschlagen? Diese Frage stellte sich Dr. Gisa Stich in ihrer Dissertation zur Genderkompetenz von Lehrkräften an bayerischen Mittelschulen.

„Es braucht eine viel stärker verankerte Genderkompetenz im schulischen Umfeld“

Stichs zentrales Ergebnis: Alle Lehrkräfte erkennen das Problem geschlechtstypischer Berufswahl – doch nur wer über fundiertes Genderwissen verfügt, handelt aktiv dagegen. Und genau daran fehlt es oft: In der Ausbildung bayerischer Mittelschullehrkräfte spielt das Thema kaum eine Rolle. Anders bei externen Fachkräften, etwa aus der Sozialen Arbeit, wo Genderkompetenz fester Bestandteil ist.

Besonders kritisch sieht Stich die Rolle von Schulbüchern. Diese vermitteln in Text und Bild stereotype Rollenbilder – Jungen als handwerklich-technisch, Mädchen als fürsorglich und dienstleistungsorientiert. Auffällig: Frauen dürfen in Männerdomänen eintreten, umgekehrt bleibt Jungen der Zugang zu „weiblichen“ Berufen oft verwehrt.

Auch strukturell sieht sie Nachholbedarf: Lehrkräfte beeinflussen durch ihr Auftreten, ihre Fächerwahl und Haltung die Wahrnehmung von Geschlechterrollen bei Jugendlichen. Doch an vielen Schulen fehlt die Reflexion über diese Wirkung.

Stich fordert eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung: Geschlecht müsse als soziale Konstruktion begriffen werden – nicht als natürliche Gegebenheit. Nur dann kann Berufsorientierung gelingen, die sich an Interessen und Talenten orientiert – nicht an Rollenklischees.

Das vollständige Interview gibt's in der Klischeefrei-Infothek (siehe „Weitere Informationen“).

„Interessen, Fähigkeiten und Stärken von Schüler*innen werden oft anhand scheinbar natürlicher Geschlechterunterschiede beurteilt, anstatt sie unabhängig von ihrem Geschlecht zu fördern.“

Dr. Gisa Stich, Lehrkraft für Soziale Arbeit & Management an der iba University of corporate Education und ehemalige Geschäftsführerin Institut für Innovative Bildung (IfiB)