11.03.2025
Gender Pay Gap: Vertikale Segregation hat größeren Einfluss als die horizontale Verteilung
Eine aktuelle Untersuchung des IAB zeigt, dass regionale Geschlechterunterschiede in den ausgeübten Berufen und in der Betriebsstruktur stark zum Gender Pay Gap beitragen. Dabei dürfte die vertikale Segregation einen größeren Einfluss auf die regionalen Lohnunterschiede haben als die horizontale Segregation.
Frauen in Deutschland verdienen im Schnitt deutlich weniger als Männer. Weniger bekannt ist, dass sich der sogenannte Gender-Pay-Gap zwischen einzelnen Regionen deutlich unterscheidet. So verdienen vollzeitbeschäftigte Männer in Dingolfing-Landau gut 40 Prozent mehr als vollzeitbeschäftigte Frauen, in Dessau-Roßlau 1,2 Prozent weniger. Eine wichtige Erklärung bieten regionale Geschlechterunterschiede in den ausgeübten Berufen und in der Betriebsstruktur vor Ort.
Welche Rolle spielt die Berufswahl?
Ann-Christin Bächmann und Koautorinnen belegen in einer anderen aktuellen Studie große berufliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern in Deutschland. Frauen sind grundsätzlich eher in personenbezogenen Dienstleistungs-, Gesundheits- und Erziehungsberufen tätig, Männer eher in technischen Berufen und Produktionsberufen. Dies wird auch als berufliche Geschlechtersegregation bezeichnet. Sie bezieht sich sowohl auf die ungleiche Verteilung auf einzelne Berufe (horizontale Segregation) als auch auf die Unterrepräsentanz von Frauen in qualifikatorisch höheren Positionen (vertikale Segregation).
Wie Basha Vicari und Koautorinnen in einem Beitrag für das IAB-Forum aus dem Jahr 2023 gezeigt haben, besetzen Frauen seltener als Männer Positionen mit einem hohen Anforderungsniveau. Beide Aspekte erhöhen nicht nur den Gender-Pay-Gap insgesamt, sondern beeinflussen auch dessen regional unterschiedliche Ausprägung.
Dies spiegelt sich in den beiden Extremkreisen des Gender-Pay-Gaps wider, also im Kreis Dingolfing-Landau und im Kreis Dessau-Roßlau. Denn diese unterscheiden sich etwa mit Blick auf die drei jeweils am stärksten durch Männer oder Frauen besetzten Berufsgruppen.
So sind in Dingolfing-Landau Männer stark in Berufen der Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt- und Schiffbautechnik vertreten. In Dessau-Roßlau arbeiten sie hingegen häufig in Berufen aus dem Bereich „Lagerwirtschaft, Post und Zustellung, Güterumschlag“. Frauen in Dessau-Roßlau arbeiten oft in Verwaltungsberufen, während sie in Dingolfing-Landau am häufigsten im Bereich „Lagerwirtschaft, Post und Zustellung, Güterumschlag“ beruflich tätig sind.
Es fällt auf, dass in Dingolfing-Landau die horizontale berufliche Segregation schwächer ausgeprägt ist, denn zwei der Top-Berufsgruppen sind bei Männern und Frauen identisch. Frauen nutzen also die vergleichsweise guten beruflichen Möglichkeiten vor Ort und verbleiben nicht in typischen Frauenberufen. Dieser Befund wird durch den sogenannten Dissimilaritätsindex bestätigt, wonach 52 Prozent der Frauen (oder Männer) ihren Beruf wechseln müssten, um die gleiche Berufsstruktur wie auf dem Gesamtarbeitsmarkt zu erreichen.
In Dessau-Roßlau hingegen unterscheiden sich die Top-3-Berufe zwischen den Geschlechtern deutlich. Trotzdem fällt die horizontale berufliche Segregation auch hier mit einem Dissimilaritätsindex von 55 Prozent noch relativ gering aus. Die horizontale berufliche Segregation in den beiden Kreisen dürfte damit kaum die regionalen Unterschiede im Gender-Pay-Gap erklären. Anders verhält es sich bei der vertikalen beruflichen Segregation. Diese wird anhand des Anforderungsniveaus der Stellen in einer Region gemessen. Dieses wiederum hängt mit der Höhe der Qualifikation der Beschäftigten zusammen.
In Dingolfing-Landau sind Frauen zu einem deutlich höheren Anteil auf einem geringen Qualifikationsniveau tätig als Männer, während ihre Anteile an Hochqualifizierten fast identisch sind. Der Dissimilaritätsindex beträgt in Bezug auf Geschlechterunterschiede im Anforderungsniveau 6 Prozent und weist im Vergleich zu Dessau-Roßlau (1 Prozent) einen hohen Wert auf. Die vertikale Segregation dürfte also einen größeren Einfluss auf die regionalen Lohnunterschiede im Gender-Pay-Gap haben als die horizontale Segregation.
Quelle: Die spezifische Berufs- und Betriebsstruktur vor Ort führt zu deutlichen regionalen Unterschieden in der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen | IAB-Forum vom 5. März 2025