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09.10.2024

Gender-Pay-Gap wirkt sich bei Rezession auf die Geburtenrate aus

Die Entwicklung der Geburtenrate hängt mit dem regionalen Gender-Pay-Gap zusammen. In Bundesländern mit geringem Gender-Pay-Gap nimmt die Zahl der Geburten während einer „Mancession“ stärker zu als während einer „Shecession“ – und umgekehrt. Das zeigt eine neue Untersuchung des IAB.

Gender-Pay-Gap wirkt sich bei Rezession auf die Geburtenrate aus

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden die Dynamik des Arbeitsmarktes ebenso wie Bevölkerungstrends wesentlich durch den Aufstieg erwerbstätiger Frauen geprägt. Obwohl die Geschlechterdisparitäten hinsichtlich Erwerbstätigkeit, Berufswahl und Einkommen in vielen Ländern erheblich abgenommen haben, weist Deutschland noch immer größere geschlechterspezifische Lücken auf als die meisten europäischen Staaten. Gleichzeitig fällt die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland seit Mitte der 1970er-Jahre mit niedrigen Geburtenraten zusammen, was perspektivisch die demografische Stabilität des Landes gefährdet.

Eine Untersuchung des IAB hat nun erforscht, was in wirtschaftlichen Krisenzeiten passiert. Im Gegensatz zu anderen Ländern gab es in Deutschland sowohl während der Weltfinanzkrise 2009 als auch während der Corona-Rezession 2020 nicht etwa einen Rückgang, sondern einen Anstieg der Geburten. Das hat einerseits mit dem engmaschigen sozialen Netz in Deutschland zu tun und andererseits mit der Tatsache, das Frauen in Deutschland vergleichsweise kurze Arbeitszeiten haben.

Besonders interessant ist die Erkenntnis, dass sich der große Unterschied, der zwischen Ost- und Westdeutschland hinsichtlich des Gender-Pay-Gap existiert, Einfluss darauf hat, wie sich ökonomische Krisen auf die Geburtenentwicklung auswirken. Darüber hinaus variiert die Entwicklung der Geburtenrate in Krisenzeiten sogar mit der Art der Wirtschaftskrise – und zwar je nach dem, ob es sich um eine „Mancession“ oder eine „Shecession“ handelt, ob also eher männlich dominierte Branchen stärker von der Krise betroffen sind oder eher weiblich dominierte Sektoren des Arbeitsmarkts.

Während der Finanzkrise 2009, einer „Mancession“, stieg die Geburtenrate in Bundesländern mit größerem Gender-Pay-Gap, etwa in Bayern, deutlich weniger stark an, als in ostdeutschen Bundesländern. Anders verhielt es sich während der Corona-Krise, einer „Shecession“: Die Geburtenraten nahmen zwischen 2020 und 2021 in allen westdeutschen Ländern signifikant zu, während sie im Osten zurückgingen oder nur leicht stiegen.

Wie lassen sich also die Erwerbsbeteiligung von Frauen als auch die Geburtenrate steigern? Das Fazit des Autorinnenteams lautet, dass Kinderbetreuungsangebote weiter ausgebaut und zugleich die Gleichstellung am Arbeitsplatz verbessert werden sollte. Dabei machen sie aber auch darauf aufmerksam, dass bisherige familienpolitische Reformen ihre Wirkung auch deshalb verfehlt haben könnten, weil starke traditionelle Geschlechternormen hinsichtlich der Elternzeit und der Aufteilung der Hausarbeit zwischen Männern und Frauen nach wie vor weit verbreitet sind.

Quelle: Hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen und hohe Geburtenraten: die Quadratur des Kreises? | Meldung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 4. Oktober 2024